Dieter Fuhrmann

Fuhrmanns Früchtekorb

Chicorée – Die weiße Perle

Von Marcus Fuhrmann

Schwieriges Thema

Als ich der Garcon-Redaktion das heutige Thema – Chicorée – vorschlug, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. ,,Kauft wohl keiner“, meinte der für die Kolumne zuständige Redakteur. „Ganz im Gegenteil“, erwiderte ich und betete die jedem Gemüsegroßhändler geläufige Litanei herunter. Die lautet: Chicorée  liegt voll im kulinarischen Trend, ist kalorienarm, vitaminreich, leicht verdaulich und fast unbegrenzt einsetzbar. Großen Jubel löste ich auch damit nicht aus.

Kochbuch-Entdeckung

Den Ausschlag für einen Beitrag über das winterliche Gemüse gab schließlich ein Kochbuch. Es ist eines der kompetentesten, das ich in diesem Jahr in der Hand hatte. Hannes Finkbeiner hat es herausgegeben – sein Titel: „Kochimpuls: 30 Köche – 40 Sterne – 150 Rezepte“. Von der nicht sonderlich kaufanreizenden Einbandgestaltung muss man absehen. Die Porträts der Köche aber sind kenntnisreich, die Informationen zu den Produkten übersichtlich und die Beschreibung der Rezepte nachvollzieh- und nachkochbar. Unter den 30 Köchen sind mit Stefan Hartmann (Hartmanns), Michael Kempf (Facil) und Marco Müller (Rutz Weinbar) übrigens auch drei Berliner. Und unter den 150 Rezepten befinden sich ebenfalls immerhin drei, in denen Chicorée eine Rolle spielt.

Chicorée in der Hauptrolle

Harald Wohlfahrt ist seit 16 Jahren Deutschlands höchstbewerteter Küchenchef. Er steuerte sogar ein Rezept bei, in dem das Blattgemüse die Hauptrolle spielt: Chicorée mit Birnen und Spekulatiusbröseln. Das zog schließlich, zumal der Garcon-Redaktionsleiter ein bekennender Wohlfahrt-Fan ist. So läuft das eben, dachte ich noch: Manchmal machen erst große Namen einfache Dinge hoffähig.

Wilde Vorfahren

Chicorée also, botanisch Cichorium intybus var. foliosum. Dessen lateinischer Name weist auf die Herkunft des Gemüses hin. Die Wilde Zichorie ist sozusagen die Stammpflanze des heutigen Chicorées. Sie ist seit Jahrhunderten in vielen Teilen Europas, Nordafrikas und Asiens verbreitet. Von Horatius wurde sie schon im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung als ,,chicorium“ beschrieben. Im 18. Jahrhundert wurde die Wilde Zichorie kultiviert. Ein „Wörterbuch der Landwirtschaft“ (La Chesnaye) etwa behandelte bereits 1751 deren Anbaumethoden. Die Blätter wurden zu Salat verarbeitet, die Wurzeln dienten in der Regel als Viehfutter.

Von der Zichorie zum Chicorée 

Ein Zufall führte dann zur derzeit verbreiteten Chicorée-Treiberei. Er soll sich im Jahr 1870 zugetragen haben. Damals lagerten belgische Bauern nach einer übermäßig reichen Ernte von Zichorienwurzeln diese, mit Erde bedeckt, in Gewächshäusern. Die Wurzeln trieben in den Wintermonaten kräftige Knospen aus. Diese blieben infolge des Lichtmangels bleich und zart. Die Geburtsstunde des Chicorée hatte geschlagen. 1883, so berichten Chronisten, wurde auf Brüsseler Märkten das Gemüse erstmalig unter diesem Namen verkauft.

Als Salat in deutschen Küchen

In Deutschland blieb es vorerst noch bei der Zichorie, obwohl sich auch hier die Treiberei entwickelte. Henriette Davidis etwa (1801–1876), deren ,,Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ im Bielefelder Verlag Velhagen & Klasing sagenhafte 59 Auflagen erlebte, präsentierte einen „Cichoriensalat“: „Die im Winter im Keller gewachsenen Blätter der in Erde oder Sand eingeschlagenen Cichorienwurzel werden gut gewaschen, in kleine Stückchen geschnitten und mit Öl, Essig und wenig Salz angemengt.“

Kalorienarm und vitaminreich

Heute sind die Belgier die größten Verbraucher von Chicorée weltweit – 8,8 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Frankreich ist der zur Zeit wichtigste Anbauer, die Niederlande stehen an erster Stelle im Chicoree-Export. 97 Prozent der Weltproduktion kommen aus diesen drei Ländern, insgesamt rund 440.000 Tonnen jährlich – Tendenz steigend. Der Grund liegt auf der Hand. Chicorée ist kalorienarm, reich an den Vitaminen B1, B2 und C und enthält zahlreiche Mineralstoffe, etwa erhebliche Mengen Kalzium, Kalium und Folsäure. Über seine leichten Bitterstoffe sagt der beste deutsche Koch, Harald Wohlfahrt: „Man muss die Produkte lieben, wie die Natur sie geschaffen hat. Umso öfter man sie probiert, um so mehr lernt man zum Beispiel auch die Bitterkeit des Chicorees zu schätzen.“

Tipps für die Verarbeitung

Beim Kauf sollten die Chicoreeblätter fest verschlossen, weiß und lediglich an den Spitzen hellgelb sein. Wir empfehlen, Chicoree dunkel aufzubewahren. Im Kühlschrank hält er sich rund eine Woche. Zum Schluss noch zwei Tipps für die Verarbeitung: Muskatnuss und Sesamkörner bringen den typischen Chicoree-Geschmack voll zur Geltung. Ein paar Spritzer Zitronensaft im Kochwasser erhalten die weiße Blattfarbe. Zum Zweiten: eiserne Töpfe oder Pfannen sollten bei der Chicorée-Zubereitung tabu sein. Darin verfärbt sich das Gemüse schwarz.

Weißer und roter Chicorée

Wir verkaufen übrigens weißen Chicoree, vorwiegend aus Belgien und roten. Bei Letzterem handelt es sich um eine Kreuzung aus Chicorée und Radicchio rosso, der aus Holland stammt. Ich persönlich bevorzuge das frische, knackig-feinaromatische Blattgemüse am liebsten roh als Salat und gegart in Verbindung mit Fisch.

Spitzkohl – Kohldampf auf Kohlgemüse

Es gibt glamouröseres Gemüse als den Spitzkohl. Kein Wunder, dass die Kopfkohlart hierzulande jahrzehntelang als altbackenes Kraut verschrieen war. Im Ranking der beliebtesten Gemüsesorten kam sie über einen Platz in der letzten Reihe nicht hinaus. Das änderte sich, als Coleslaw, die amerikanische Variante des Krautsalats, und das koreanische Kimchi die deutschen Küchen eroberten. Kohl liegt inzwischen im Trend, Spitzkohl insbesondere.

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