Dieter Fuhrmann

Fuhrmanns Früchtekorb

Pastinake – Zurück zu den Wurzeln

Von Dieter Fuhrmann

Einst eine Besonderheit

Es war im Herbst 1977 oder 1978. Ein niedersächsischer Landwirt hatte meinem damals einzigen Mitarbeiter Christian Mölder, heute übrigens als Produktionsleiter immer noch dabei, und mir einige Kisten Pastinake nach Berlin geschickt. Wir waren gerade ins Großhandelsgeschäft mit Obst und Gemüse gestartet. Und natürlich waren wir stolz darauf, der in diesen Jahren noch sehr übersichtlichen Berliner Spitzengastronomie etwas besonders offerieren zu können.

Als “Hammelmöhre” verschrieen

Das Ergebnis jedoch war ernüchternd. „Wat, Hammelmöhren?“, kommentierte der Küchenchef eines Ende der 1970er bekannten Hotels ziemlich verächtlich unser Angebot. Es war im verdösten West-Berlin die Zeit von Kalbssteak Hawaii, Seezunge Müllerin und Zürcher Geschnetzeltem. Gemüse spielte, wenn überhaupt, nur als Konserve eine Rolle. Und nun erst eine grau-weiße Rübe namens Pastinaca sativa – „merci bien“, sagten auch andere Köche. 

Die Renaissance der Pastinake

Doch, wie das häufig so ist, die Zeiten ändern sich, auch kulinarisch. „Zurück zu den Wurzeln“, hieß es in den 1980ern. Junge, gut ausgebildete Köche begannen, sich mit den deutschen Regionalküchen zu beschäftigen. Das Motto: besser, leichter, gesünder. Verschollene Rezepte wurden wieder zum Leben erweckt, vergessene Produkte wieder hoffähig gemacht. Dazu gehörte auch die Pastinake, die jahrzehntelang aus den deutschen Küchen verbannt war.

Anbau unter Karl dem Großen

Bereits die Römer schätzten das Gemüse. Dessen Wildform war in ganz Europa und in Teilen Asiens verbreitet. Karl der Große (742-814), der das Frankenreich zu höchster Macht führte, verordnete für die Gärten auf Krongütern und Reichshöfen den Anbau von 68 Nutzpflanzen (Capitulare de Villis) an. Die Pastinake gehörte dazu. Die Pflanze aus der Familie der Doldengewächse avancierte in Deutschland zum Grundnahrungsmittel. Das galt, bis sie im 18. Jahrhundert von Kartoffel, Mohrrübe und Sellerie verdrängt wurde.

Winter-Delikatesse

In England, Frankreich, den Niederlanden sowie in Skandinavien und den USA wird die Pastinake heute großflächig angebaut. Im Winter gilt sie in diesen Ländern als Delikatesse. Sie sieht wie eine zu groß geratene Petersilienwurzel aus. Und sie schmeckt süßlich wie eine Mohrrübe und aromatisch wie Sellerie. Einheimische Pastinaken werden ab September vorwiegend auf Wochenmärkten angeboten. Die Hauptsaison ist von November bis April. Dann gibt es auch Exemplare von beachtlicher Größe und einem Gewicht von bis zu 1.500 Gramm.

Kühl lagern

Ich rate den Verbrauchern allerdings, eher kleinere Rüben zu kaufen. Die Riesen können schon mal holzig sein. Außerdem sollten Pastinaken an einem kühlen und trockenen Ort gelagert oder innerhalb einer überschaubaren Zeit verbraucht werden. Sonst trocknen sie aus.

Gesunde Inhaltsstoffe

Der wichtigste Grund meines Plädoyers für die Pastinake liegt übrigens nicht nur in ihrem intensiven, aromatischen Geschmack, sondern vor allem in ihrem ernährungsphysiologischen Wert. Ihr Nährwert übertrifft sowohl den der Möhre als auch den von Kohlrübe und Sellerie. Die wichtigsten Inhaltsstoffe sind Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett. Dazu kommen Calcium, Kalium, Magnesium, Phosphor sowie vor allem Vitamine der B-Gruppe. Also, nichts wie ran an die Pastinaken – als Salat, Gemüse oder Püree.

Spitzkohl – Kohldampf auf Kohlgemüse

Es gibt glamouröseres Gemüse als den Spitzkohl. Kein Wunder, dass die Kopfkohlart hierzulande jahrzehntelang als altbackenes Kraut verschrieen war. Im Ranking der beliebtesten Gemüsesorten kam sie über einen Platz in der letzten Reihe nicht hinaus. Das änderte sich, als Coleslaw, die amerikanische Variante des Krautsalats, und das koreanische Kimchi die deutschen Küchen eroberten. Kohl liegt inzwischen im Trend, Spitzkohl insbesondere.

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Rettich –Würziges Wurzelgemüse

Keine Frage, der Rettich ist ein Methusalem unter den heute bekannten Gemüsesorten. So ist beispielsweise überliefert, dass er bereits vor mehr als 4.700 Jahren zur Nahrung der Arbeiter an den großen Pyramiden gehörte. Von Ägypten aus gelangte die Wurzel wahrscheinlich auch nach Griechenland und Italien. Dort erlebte sie ihren zweiten Frühling.

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Pimientos de Padrón – Bratpaprika aus Galizien​

Pimientos  de Padrón sind Minipaprika von grüner Farbe und schwacher Schärfe. Sie gehören zu den vielen Beispielen, die belegen, wie sich in den letzten Jahrzehnten die Wünsche unserer Kunden und damit unser Angebot verändert haben. Als ich vor über 40 Jahren in die Selbstständigkeit als Fruchtgroßhändler startete, kannte ich nicht einmal den Namen der kleinen Schote. Und ich bin mir ziemlich sicher, den meisten Küchenchefs ging es damals genauso.

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